Montag, 3. Januar 2011

Montag


Vögel über Vögel. Im Polder de Sébastopol überwintern sie. Klar, dass man dort den Hund nicht frei laufen lässt. Doch Buddy bleibt schön auf dem Weg, interessiert sich nur für die Wasseradern direkt neben dem Pfad, nicht für die Gefiederten, die mitten in den Sümpfen stehen.

Unser Ausflug beginnt heute an der Zufahrt zu Le Gois. Ich habe mal die im Haus herumliegenden Prospekte angeschaut und die Texte zu den Rundwanderwegen gelesen. Das hat mir bestätigt, dass ich diesen Polder doch mal besuchen möchte. Dort war schon im 19. Jahrhundert gegen das Meer ein Deich gebaut worden, der zur Landgewinnung diente, die Teiche innerhalb sind mit schmalen Dämmen unterteilt. Auch hier wurde Salz gewonnen. Im Gegensatz zu den Flächen im Norden wird das Gebiet hier jedoch offensichtlich nicht mehr dafür genutzt, es ist ein reines Naturschutzgebiet und eben eine Vogelschutzzone. Der Polder liegt tiefer als die Meereshöhe und ist wohl in den 70ern des letzten Jahrhunderts vollgelaufen, da brach der alte Deich. Nun gibt es einen neuen, und ein kleiner See mit einem Wehr zum Meer hin soll erneutes Eindringen des Wassers verhindern. Vieles hier auf der Insel, die ganzen Marais, in denen Salz gewonnen wird, liegen unter dem Meeresspiegel. Nun ja, irgendwann werden aus der einen Insel zwei, wie aus der Île de Ré, die im letzten März beim Sturm Xynthia gleich in drei Teile geteilt wurde. Wenn der Meeresspiegel steigt und das scheint er zu tun, wird es schon spannend. Allerdings auch auf dem Festland.
Ich gehe da, wo die Straße im Wasser verschwindet, auf den Deich. Das Auto habe ich weiter oben geparkt. Irgendwie habe ich die Phantasie, dass das Wasser weiter steigt und mein Auto nasse Füße bekommt. Also lasse ich es lieber weiter oben. Dort, am Rand des Wassers an der Straße, gibt es einen riesigen Schwarm kleiner Vögel, bestimmt tausend – Austernfischer könnten es sein, denke ich, ich kann es aber nicht genau erkennen. Als ich die Autotüre zuhaue, fliegen sie auf. Ein so großer Schwarm auffliegender Vögel ist ein imposanter Anblick. Der Scharm fliegt in einer Einheit auf, teilt sich wie im Tanz elegant in der Mitte, beide Teile fliegen in entgegengesetzter Richtung davon, ziehen synchron Bogen, der eine Teil rechts, der anderen links herum, treffen sich wieder zu einer einheitlichen Form – und setzen sich wieder auf das Watt. Wie gerne hätte ich das fotografiert! Aber das geht mit der kompakten Kamera auf die Entfernung nicht.
Ich gehe die Straße hinunter, bis sie im Wasser verschwindet und dann auf den Deich hoch. An der Ecke, an der unten die Straße eintaucht, steht ein Kreuz und einige Tafeln mit Erläuterungen zum Naturschutzgebiet. Die Rettungstürme ragen aus dem Wasser aus, mehr lässt nichts auf „le gois“ schließen, wenn man über die ruhige Oberfläche schaut. Ich gehe den Deich entlang am Meer, weg von der Straße. Auf der einen Seite ist die Bucht, jenseits kann ich die Küste bei Pornic erahnen. Das gehört mindestens historisch gesehen schon zur Bretagne, auch wenn es heute Loire-Atlantique ist. Den einzigen Teil der Bretagne, in dem Wein wächst – Muscadet, Loire-Weine – und der nicht nur deshalb der reichste Teil war, ist politisch vom Mutterland abgetrennt worden. Das ist eine der Argumente der bretonischen Separatisten.
Ich laufe auf dem Deich entlang, der bewachsen ist. Er führt um diesen kleinen See herum, der als Überlaufbecken dient. Dort wachsen sogar ein paar windzerzauste Bäume. Recht fällt es steil runter zum Meer, links auf steil runter Richtung See oder besser auf den Weg, der unten entlang führt – irgendwie nicht meine Lieblingsstuation. Ich hoffe eigentlich, dass unten ein Weg durch das Marais Richtung Bârbatre führt, damit ich eine Runde machen kann. Doch einmal gibt es keinen Abstieg – und zum anderen führt unten auch kein Weg am See entlang, wie ich eigentlich auf der Karte gesehen habe. Nach dem See wird der Damm eine Betonmauer, oder besser, der Deich ist zur See hin zubetoniert. Ich laufe auf dem schmalen Betonpfad, rechts führt die Mauer, wenn auch leicht schräg, ins Meer, links noch immer der Steindamm auf den Weg. Mir wird nicht schwindelig, nein. Ich sehe von weitem, dass nach einigen Metern eine Treppe hinunter auf den Weg führt und von dort eine Abzweigung durch das Moor zur Straße und zum Parkplatz an der Ruine des alten Bauernhofes. Dorthin würde ich gehen.
Und auf diesem Weg entdecke ich auch diese unzähligen Vögel, die im Moor überwintern. Das erzählt mir eine Tafel, die auch den Weg unten entlang am Damm sperrt. Von Herbst bis Frühling soll man dort nicht gehe, heißt es, um die Vögel nicht zu irritieren. Das verstehe ich, aber den Weg durchs Moor raus kann man gehen. Dort ist auch noch eine Erklärung zu Aalen angebracht. Offensichtlich leben die in dieser Soße.
Ich bin fasziniert von den Vögeln und ärgere mich, dass ich sie auf die Entfernung nicht richtig sehen kann. Nicht dass ich wüsste, um was für Arten es sich handelt. Immerhin kann ich Kraniche erkennen – aber was diese großen schwarz-weißen sind, habe ich keine Ahnung. Da fliegt ein ganz großer mit schweren Schwingen, sicher ein Raubvogel. Egal, wie sie heißen, sie sind einfach nur faszinierend. Und wenn ich dann noch daran denke, wo sie herkommen – wieviele Kilometer sie geflogen sind, von Island, Skandinavien, Grönland, der Tundra, um hier zu überwintern, habe ich höchsten Respekt.
Ich lande an der Ruine des Bauernhofes, an dem ich neulich schon mal von der Straße her mit dem Auto war, als ich beschlossen habe, den Polder Sébastopol interessant zu finden und mal zu Fuß begehen zu wollen. Das habe ich nun getan. Nach dem inneren Deich, dem alten Deich, wie ich gelesen habe, der vor der Landgewinnung die Insel schützte, biegt auch ein Weg wieder Richtung le gois ab. Somit können wir einen wunderschöne Runde schließen. Kurz vor Mündung auf die Straße biegt noch ein kleiner matschiger Pfad ins Moor ab, den ich beschließe zu gehen, muss hier aber Buddy mehrfach daran hindern, ins Moor selbst hinunterzuhüpfen. So wie er interessiert ist, vermute ich, im Gestrüpp leben einige pelzige Kleintiere.
Jetzt zeigt es sich als äußerst positiv, dass ich das Auto so weit oben geparkt habe. Wir müssen nicht weit an der Straße entlang gehen. Zwei belgische Autos stehen noch vor unserem, daneben Stative mit diesen Kameras mit Camouflage. Offensichtlich haben die dazugehörigen Herren den Schwarm Vögel fotografiert, der sich noch an der gleichen Stelle befindet. Ich beneide diese Hobbyornitologen schon wegen dieser Kamera. Bei den kleinen Vögeln saßen jetzt am Rand des Schwarmes noch größere, es könnten Gänse sein. Ich muss doch mal mein Fernglas aktivieren – ist ja nicht so, dass ich keines habe. Und vielleicht noch einmal mit meiner großen Kamera dorthin zurückkehren. Hoffen wir, dass es noch einmal so schönes Wetter ist.

Zum Essen gib es heute Tagliatelle mit Lauch-Champignon-Tomaten – und einer Handvoll geriebenem Käse.

1 Kommentar:

  1. Hallo
    Einfach mal einen kleine Gruss dalass ;-)
    Ich finde du hast eine schöne Art zu schreiben..gefällt mir und liest sich "bildlich" so dass man sich dabei fühlt.

    Das Bild mit dem Zaun gefällt mir sehr gut. Im Forum ist es ja kleiner und nun weiss ich auch was du meinst wenn du dort schreibst dass der Zaun auf einmal so unscharf ist..stimmt wenn mand dieses hier anklickt das sind Welten!
    LG Diane

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